Menschlichkeit im Fokus, 7.6.2024
Kooperationsveranstaltung von Club Niederösterreich und Stift Altenburg widmete sich mit einem Round Table dem „Menschsein“ aus vielfältigen Perspektiven.
In einem hochkarätig besetzten Panel befassten sich am 7. Juni 2024 im Stift Altenburg namhafte Vertreter:innen aus Religion, Politik, Kunst und Sozialarbeit mit dem Thema „Humanität. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Neben der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema wurde im Rahmen der Veranstaltung auch ein praktisches humanitäres Zeichen gesetzt: Mit der Versteigerung eines Werkes der beteiligten Künstler:innen Birgit und Peter Kainz konnten 800 Euro für einen sozialen Zweck erlöst werden. Die Summe wird dem Verein „Ich bin Ich“, der sich für die Wahrung der Interessen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Bezirk Horn und Umgebung einsetzt, zu Gute kommen.
Für den Club Niederösterreich als parteipolitisch unabhängigen, gemeinnützigen Verein ist es seit seiner Gründung vor 44 Jahren eine Selbstverständlichkeit, einerseits kulturelle Highlights in den Regionen Niederösterreichs zu setzen und andererseits gesellschaftlich wichtige Themen verschiedenster Art aufzugreifen. Hinzu kommt auch das soziale Engagement, insbesondere über den Einsatz der Promi-Fußballmannschaft oder durch Benefizkonzerte, wodurch bisher insgesamt 2,5 Millionen Euro für humanitäre Zwecke in Niederösterreich aufgestellt und übergeben werden konnten. In der erstmaligen Kooperation mit dem Stift Altenburg, das heuer sein 880-jähriges Bestandsjubiläum feiert, gelang es alle drei Aufgabenfelder zu verbinden.
Seit Mai – und noch bis Ende Oktober – kann die vom Club Niederösterreich vermittelte Sonderausstellung „Metamorphose einer bekannten Welt“ des Künstlerpaares Birgit und Peter Kainz in den Räumlichkeiten des Klosters besichtigt werden. Die Ausstellung befasst sich intensiv mit dem Menschsein, der Menschlichkeit und dem Spannungsfeld zwischen Menschenrecht und Menschenpflicht. Mit dem Round Table zum Thema Humanität wurde das Thema nun auch über die künstlerische Sicht hinaus diskutiert.
„Es ist eine Freude und Ehre, dass der Club Niederösterreich im Benediktinerstift Altenburg zu Gast sein darf und dass es auch gelungen ist, gemeinsame kulturelle, gesellschaftliche und humanitäre Akzente zu setzen“, betonte Club Niederösterreich Vizepräsidentin Sabine Pfeffer in ihrem Eröffnungsstatement und leitete dann auch gleich zum Thema des Abends über. Humanität sei ein zeitlos gültiger Wert, denn sie sei das Fundament für ein gerechtes und friedliches Zusammenleben. Das Fehlen von Humanität sei aber leider ein hochaktuelles Thema, wie sich in Krieg und Terror, in gesellschaftlicher Spaltung und Ausgrenzung, in Angst und Hass zeige. Humanität sei ganz klar keineswegs ein selbstverständliches Gut, sondern müsse tagtäglich verteidigt und neu erkämpft werden, so Pfeffer. Dass durch den Club Niederösterreich und das Stift Altenburg auch ein wichtiges soziales Projekt in der Region Horn unterstützt werden kann, freut Pfeffer besonders: „Menschen mit Behinderungen sind der Maßstab für Menschlichkeit in unserer Gesellschaft. Ich freue mich sehr, dass wir als Club Niederösterreich füreinander da sind, hinschauen und helfen, wo unsere Unterstützung dringend gebraucht wird.“
In der Diskussion, deren schwieriges Thema sehr sensibel und souverän von NÖN-Redaktionsleiter Thomas Weikertschläger mit den Round-Table-Teilnehmer:innen debattiert wurde, kamen der Prior des Stift Altenburg, Pater Michael Hüttl, Landesrat Ludwig Schleritzko, Andrea Brem, Sozialarbeiterin und langjährige Leiterin der Wiener Frauenhäuser, sowie Birgit und Peter Kainz zu Wort.
Prior Pater Michael beleuchtete insbesondere die spirituelle Dimension von Humanität und philosophierte zu Fragen, wie uns der Glaube dazu anleitet menschlich zu handeln und welche einende Rolle der Glaube in einer mitunter recht inhumanen und gespaltenen Welt spielt und übernehmen kann. Aufhorchen ließ der Prior dabei mit einer durchaus provokanten Aussage: Religion per se, das zeige auch die Geschichte, übernehme diese einende Rolle nicht immer. Vielmehr sei es der Glaube, in dem das Einende und das Humanitäre zu finden seien. Seit 1144 wirke das Stift Altenburg als kulturelles und spirituelles Zentrum und öffne stets die Türen für Diskussionen zu Gesellschaft und Kunst. Wie beim Thema der diesjährigen Sonderausstellung zeige sich auch das Stift selbst in seiner 880-jährigen bewegten Geschichte als lebendiges Werk der Metamorphose, die den inneren und äußeren Wandel der Menschen im Stift und darüber hinaus durchlebe. Die tiefgehende Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen des Lebens und des Glaubens im Kloster trage dazu bei, humanitäre Werte zu vermitteln und zu reflektieren. Denn selbstverständlich spannen auch die philosophischen Fragen der Mönche stets einen Bogen zwischen Gut und Böse, Humanität und Unmenschlichkeit.
Zu den tagtäglichen Herausforderungen, humane Werte in den politischen Alltag zu integrieren, sprach Landesrat Ludwig Schleritzko. Dabei ging es auch konkret darum, welchen Beitrag Politik zu einer humaneren Gesellschaft leisten kann und welche Hindernisse sich auftun. „Gerade in den letzten Wochen und Monaten wurde der Umgangston in der Politik immer rauer. Dabei ist eines wichtig: Die Menschen wollen klare Antworten auf die Herausforderungen und Probleme unserer Zeit. Sie wollen kein Hickhack und auch kein Abschieben der Verantwortung. Das ist unsere Aufgabe: Gemeinsam über Parteigrenzen hinweg Politik für die Menschen in unserem Land machen – eine Politik geprägt von Humanität. Daran arbeite ich Tag für Tag in meinen Zuständigkeitsbereichen und ich werde nicht müde zu betonen: Die Herausforderungen für viele Landsleute sind groß, es braucht Lösungen, die wir nur dann liefern können, wenn wir mit Mut und Zuversicht nach vorne blicken und Entscheidungen treffen, die über das politische Tagesgeschäft hinausgehen.“
Andrea Brem, die aus dualer Sicht – einerseits als Sozialarbeiterin, andererseits als langjährige Leiterin der Wiener Frauenhäuser und damit verantwortlich für 120 Mitarbeiter:innen und die Geschäftsführung – Einblicke in humanitäre Arbeit geben konnte, befasste sich schwerpunktmäßig damit, welche gesellschaftlichen Strukturen und Mechanismen humanes Verhalten fördern oder hindern: „Humanismus gibt die großartige Maxime aus, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, er gibt aber keine Handlungsanleitung, was zu tun ist, wenn sie angetastet wird. Und das wird sie, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute.“ Soziale Arbeit sehe sie als eine unerlässliche Säule, um Humanität zu erreichen, doch diese müsse immer den Spagat zwischen idealistischem Anspruch und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen ziehen, so Brem, die auch mutig den Finger auf ein weiteres gesellschaftliches Spannungsfeld legt, denn „der Mensch“ werde, so Brem, in einer patriarchalen Gesellschaft sehr oft ganz selbstverständlich als Mann identifiziert. „Im Humanismus wird vernachlässigt, dass Frauen schlechtere Startpositionen haben und den Männern nicht gleichgestellt sind. Weltweit werden Frauen von ihren Männern entwürdigt, misshandelt ja sogar getötet, nur weil sie Frauen sind. Deshalb reicht der Humanismus alleine nicht, es braucht daneben auch den Feminismus.“
Seit vielen Jahren setzen sich die Künstler:innen Birgit und Peter Kainz schon in ihren Werken mit dem Thema Menschlichkeit und Humanität auseinander: „Künstlerinnen und Künstler sind die Seismographen ihrer Gesellschaft. Sie sind die Indikatoren, die Veränderungen und Verwerfungen gesellschaftlicher Verhältnisse früh erkennen und mit ihrem kreativen Denken Humanismus zwischen Menschen einfordern als auch zwischen Mensch und Umwelt einweben“, so Birgit und Peter Kainz. Warum das vor allem der Kunst gelinge, beantworten die beiden so: „Weil Kunst immer auf der Seite des Humanen ist. Weil sie den Menschen nicht bloß biologisch sieht, sondern seine Fähigkeit zur Wertung zwischen Gut und Böse anspricht. Nicht mehr tun wir mit unseren Kunstwerken – aber auch nicht weniger.“
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