9. Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz, 19.-20.9.2016
„Kommt die Alpenrepublik ins Schwitzen?“ – dieser und einer Reihe damit verbundener Fragen gingen die rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 9. Mostviertler Nachhaltigkeitskonferenz am 19. und 20. September 2016 in Waidhofen/Ybbs auf den Grund. Dabei ging es einerseits darum, welche Möglichkeiten es auf internationaler wie auch vor allem regionaler Ebene gibt, um die globale Erderwärmung mittels nachhaltiger Tourismus- und Wirtschaftskonzepte einzudämmen. Andererseits wurden auch Anpassungsstrategien thematisiert. Theoretische Inputs standen genauso auf dem Programm wie die Vorstellung einer Reihe von Beispielen aus der Praxis.
Die Konferenz wurde in bewährter Weise vom Mostviertel Tourismus, vertreten durch Andreas Purt, in Kooperation mit der Niederösterreich Werbung mit Christoph Madl und Stefan Bauer an der Spitze sowie dem Club Niederösterreich organisiert, dessen Geschäftsführerin Theres Friewald-Hofbauer gemeinsam mit Markus Redl von der Niederösterreichischen Bergbahnen Beteiligungsgesellschaft für die Moderation verantwortlich zeichnete. Eröffnet wurde die Konferenz durch die Vorsitzende der Mostviertel Tourismus GmbH, Landtagsabgeordnete Michaela Hinterholzer, die in ihrem Eingangsstatement auf die großen Herausforderungen hinwies, vor denen man – nicht nur, aber besonders auch in Niederösterreich – stehe. Sie ließ aber auch keinen Zweifel darüber offen, dass diese Herausforderungen auch Chancen bedeuten für diejenigen, die mit Mut und Engagement neue Wege zu gehen bereit sind.
Die weltweiten Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Bevölkerungsentwicklung und Migration erläuterte Universitätsprofessor Franz Josef Radermacher, Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Ulm. Sein eindringlicher Appell: „Wir müssen alles tun, um den Klimawandel zu verhindern bzw. die Erderwärmung so gering wie möglich zu halten, denn er kann katastrophale Konsequenzen haben.“ Diese lägen weniger darin, dass es in Mitteleuropa wärmer werde, sondern darin, dass man in manchen Gegenden der Welt irgendwann nicht mehr leben könne. Bei einer nach wie vor explodierenden Bevölkerung in Afrika sei mit gigantischen Migrationsströmen zu rechnen, die wiederum die Verhältnisse in Europa destabilisieren können. In den indirekten Auswirkungen des Klimawandels sieht Radermacher die bedeutend größeren Gefahrenpotenziale für die heimische Wirtschaft und den heimischen Tourismus als in den höheren Temperaturen per se. Dass globale Probleme auch Lösungen brauchen, die in globalen Dimensionen erdacht und entwickelt werden, bedeute aber nicht, dass nicht auch auf regionaler Ebene eine Fülle von Möglichkeiten gegeben sei, nachhaltiges Denken und Handeln zu etablieren. Insgesamt sehe er im Klimawandel für den Tourismus keine signifikant größere Bedrohung als für die gesamte Ökonomie, auch wenn es innerhalb der Branche vermutlich zu Verschiebungen und kommen werde, die Anpassungen erfordern.
Patentrezepte gibt es nicht
Wie sich solche Anpassungen gestalten könnten, dieser Frage widmete sich der Innsbrucker Assistenzprofessor Robert Steiger, der seit mehr als zehn Jahren die Zusammenhänge zwischen verändertem Klima und verändertem Tourismus wissenschaftlich verfolgt. Dass vielfach völlig neue Wege eingeschlagen werden müssen, steht für Steiger außer Zweifel, wobei der Klimawandel oft nur Beschleuniger für einen schleichenden, bereits seit Jahren evidenten sozialen Wandel sei. Ein Pauschalrezept dafür gebe es aber nicht. Vielmehr bedürfe es individueller und maßgeschneiderter Alternativkonzepte, die häufig auch Kooperationen und eines Schulterschlusses einer Reihe von Akteuren benötigen – vom Tourismus und der Gastronomie, über die Regionalentwicklung und die kommunale Politik bis hin zu Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe und Ökonomie. Welche Anpassungsstrategien für welche Destinationen erfolgversprechend sind, erläuterte Steiger anhand einiger bereits verwirklichter Beispiele aus der Praxis.
Best practice: Nachhaltigkeit als roter Faden
Auf enormes Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stießen schließlich die zahlreichen Präsentationen von Best practice-Beispielen aus ganz Österreich. Wie ein roter Faden zog sich dabei die Erkenntnis durch, dass alle diese erfolgreich umgesetzten Konzepte stets beides beinhalten: Anpassung an und Eindämmung des Klimawandels. Nachhaltigkeit gilt dabei nicht nur als oberste, sondern geradezu selbstverständliche Maxime.
In diesem Sinne stellten Karl Morgenbesser die Familienarena Bucklige Welt und Philipp Wiedhofer den Bikepark Semmering und den Wexl Trail als innovative, ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Tourismusattraktionen vor, die höchsten Ansprüchen von Gästen gerecht werden. Dass der Abbau eines Skilifts nicht das touristische Ende bedeuten muss, sondern völlig neue Perspektiven ermöglichen kann, das stellte der Tiroler Gastwirt René Föger unter Beweis. Das Eislaufen auf den Berg zu bringen und es durch kreatives Marketing an die Frau und den Mann zu bringen, dafür zeichnete Martin Schobert mit der Vorstellung von „Alpine Ice“ verantwortlich. Der enge Zusammenhang zwischen Tourismus, Gastwirtschaft und regionaler Lebensmittelproduktion zur Schaffung regionaler Wertschöpfungskreisläufe wurde in den Vorträgen von Barbara Klein, Initiatorin von „Die kulinarischen Erben der Alpen“ sowie von Harald Pollak, dem Vereinsobmann von „Niederösterreichische Wirtshauskultur“, deutlich. Dass es notwendig, wenn auch in hohem Maße herausfordernd sei, dem Besonderen an Qualität und Originalität in der Kulinarik neue Räume und Handelswege zu eröffnen, demonstrierte Michael Schuster anhand seiner „Marktwirtschaft“, einem Wiener Indoor-Markt, den er seit knapp einem Jahr betreibt.
Kreislaufwirtschaft als Ausdruck von sozialer, ökologischer und gleichermaßen ökonomischer Verantwortung erörterte auch Ernst Gugler am Beispiel seines Kommunikationshauses, das in vieler Hinsicht als Pionier-Betrieb erachtet werden darf. Regionen schließlich, die durch die Umsetzung von nachhaltigen, ganzheitlichen und gut vernetzten Entwicklungsstrategien neuen Aufschwung erlebten und erleben, wurden den Konferenzbesucher/innen durch Michael Fend vom Steirischen Vulkanland sowie durch Renate Breuß vom Werkraum Bregenzerwald näher gebracht.
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