Euro im Sturzflug? – 3.6.2013
Am Euro führt kein Weg vorbei
Raiffeisenchef Hameseder und Wirtschaftskammerpräsidentin Zwazl: deutliches Bekenntnis zur gemeinsamen Währung bei Veranstaltung des Club Niederösterreich
„Der Euro ist Stabilisator, Wachstumsmotor und wichtiges – auch sicherheitspolitisches – Bindeglied für Europa. Es gibt kein Zurück ohne hohen wirtschaftlichen und vor allem auch politischen Schaden. Das Resultat wäre ein Kontinent mit konfliktbeladenen Lagern und deutlich niedrigerem Lebensstandard“, zeigte sich der Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, Erwin Hameseder, vor wenigen Tagen bei einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Club Niederösterreich im neuen Bürohaus der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien am Wiener Donaukanal überzeugt. Auch die Präsidentin der Wirtschaftskammer NÖ und Vize- Präsidentin des Club Niederösterreich, BR-Abgeordnete Sonja Zwazl, legte ein unmissverständliches Bekenntnis pro Europa und pro Euro ab: „Auch wenn wir schwierige Zeiten haben und der Euro unter Druck steht, so gibt es keine Alternative. Beispielsweise erspart man sich allein durch das Wegfallen der Wechselkosten jährlich rund 300 Millionen Euro.“
Berechnungen des IHS zufolge wären die Kosten im Falle eines Zusammenbruchs des Euroraumes für Österreich dramatisch: So ergäbe sich für das BIP ein Minus von 31,4 Milliarden und bei den Exporten ein Rückgang von fast 46 Milliarden Euro, die Zahl der Arbeitsplätze würde sich um rund 188.000 minimieren. Wer daher, so waren sich Hameseder und Zwazl einig, die aktuellen Schwierigkeiten für populistische Anti- Euro- oder Anti-Europa-Propaganda nutze, dem fehle es an wirtschaftspolitischem Sachverstand.
Hameseder: Euro ist Stabilitätsanker
Auch wenn in der Vergangenheit zweifelsohne Fehler gemacht worden seien, etwa bei der Bildung der Euro-Zone oder bei der Überwachung der Konvergenzkriterien – Stichwort Staatsverschuldungen –, mit denen man heute zu kämpfen habe, sei die gemeinsame Währung gerade in Krisenzeiten ein Stabilitätsanker, so Hameseder. Die Spekulationsanfälligkeit für kleine Währungen, wie dies bei einem völlig eigenständigen Schilling der Fall wäre, sei nämlich enorm. Eine gemeinsame Währung könne die europäische Wirtschaft bedeutend besser abschirmen. Eine Abkopplung wäre angesichts der dichten globalen Vernetzung von EU und Finanzwirtschaft fatal.
Hameseder beurteilte in diesem Zusammenhang auch das immer wieder zitierte „Schweizer-Modell“ kritisch. Abgesehen davon, dass die Schweiz eine völlig andere Geschichte hat, leidet die eidgenössische Wirtschaft, insbesondere der Export, derzeit enorm unter dem starken Franken und auch die Vielzahl an Menschen, die in die benachbarten EU-Länder zum Einkauf fahren, sprechen eine deutliche Sprache.
Solidarität und Subsidiarität
Der Raiffeisen NÖ-Wien-Chef sprach sich angesichts der Schwierigkeiten in einzelnen Euro-Ländern für zwei europäische „Grundprinzipien“ aus, nämlich Subsidiarität und Solidarität. Europa müsse freilich von den betroffenen Staaten eiserne Budgetdisziplin fordern, allerdings müsse dabei auch wirtschaftlicher Aufschwung ermöglicht werden. Die Geschichte lehre uns schließlich, dass Solidarität nicht nur eine moralische Pflicht sei, sondern durchaus auch wirtschaftliche Früchte tragen könne. Hameseder: „Als Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg für den Wiederaufbau Milliarden an Wirtschaftshilfe bekommen hat, wussten die Geldgeber auch nicht, ob und wann die Schulden je zurückbezahlt werden könnten. Österreich würde heute ohne die Solidarität der anderen von damals mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so gut dastehen.“
Solidarität werde schließlich – durch die Bankenabgabe – auch von den Banken verlangt. Außerdem könnten diese auch nicht davon begeistert sein, dass der Leitzins der EZB auf einem historischen Tiefstand sei. Es sei aber klar, dass dies für die volkswirtschaftliche Entwicklung in Europa eine Notwendigkeit darstelle. Eine Fiskalunion, so sinnvoll sie auch wäre, ist laut Hameseder aufgrund der geringen Bereitschaft, nationalstaatliche Kompetenzen abzugeben, derzeit noch nicht realistisch. Aber ein Europa der Regionen, nämlich grenzüberschreitenden Regionen mit gemeinsamen kulturellen, ökologischen oder ökonomischen Interessen, sei der richtige Weg in die Zukunft.